ODER AUCH: KEIN KARTOFFELSACK

,,Was – nur 9,90€?“ Das war die perplexe Frage, als ich meinen Freundinnen vor kurzem mein neues Shirt vorstellte. Fair produziert, vegan und aus zertifizierter Biobaumwolle. Die Überraschung stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Dann rennen Veganer nicht in Hanfpullovern herum und Fairfashion sind keine Leinenzelte? Richtig. So wie ihnen ergeht es vielen, dabei ist nachhaltige Mode gar nicht umständlich oder gar teurer als die konventionelle Version.

Auch ich war zunehmend überrascht, als sich meine Informationen über grüne Mode häuften. Aus Überzeugung greife ich schon lange nicht mehr zu Mode mit tierischen Bestandteilen, habe mir jedoch lange keine Gedanken über die Produktionskette gemacht. Und da packte mich mein Gewissen hart im Nacken. Immer fester.
Denn ich möchte nicht für schlechte Arbeitsbedingungen oder Umweltbelastungen verantwortlich sein oder gar dafür zahlen.
Also fasste ich ganz im Sinne des Slowfashiongedankens den Schluss, dass nur noch reinkommt, was benötigt wird. Und das ist nicht einfach, immer noch nicht. Aber das Bewusstsein ist der erste Schritt.
Und so soll alles, was zukünftig in den Kleiderschrank wandert, fair und nachhaltig produziert worden sein. Mit gutem Gewissen und noch größerer Freude an den errungenen Teilen.

Diesem Gedanken folgen auch andere Bloggerkolleginnen im Zuge der „Vegan Fashion Week“. Den Startschuss haben die Damen von jäckleundhöslestryletzatleastblog und kunstkinder-mag gegeben. Es folgen morgen und übermorgen noch heylilahey und fashionfika. Schaut euch an, wie toll vegane, grüne Mode sein kann!

Mitunter den Anfang in meiner Sammlung macht mein neues Lieblingsshirt von Maria Seifert, einer deutschen Designerin aus Leipzig (erhältlich über den grandiosen Onlineshop FINE BIRDS). Sie hat sich ganz dem Green Fashion Gedanken verschrieben und lässt wunderbar unkomplizierte und herrlich leichte Kollektionen produzieren.
Sie muss ich einfach im Auge behalten, denn ihre Mode ist großartig!
Für mari.dalor hat sie Rede und Antwort gestanden:

WAS IST FÜR DICH NACHHALTIGKEIT?

Nachhaltigkeit ist für mich in erster Linie meine Sozialisierung, mein Lebensmotto, meine Grundeinstellung zum Leben, zu meinen Mitmenschen und Natur. Das zieht sich wie ein roter Faden durch alle meine Lebensbereiche. Ich sehe es als nachhaltig an, offen, ehrlich, zuverlässig, tolerant, direkt, humorvoll, freundlich wie ernst meinen beruflichen Alltag zu bestreiten, mein privates Leben zu leben und meine Umwelt wertzuschätzen.
Ich erfülle höchste Ansprüche an Material, handwerkliche Verarbeitung und Nachhaltigkeit. Dafür verwende ich hochwertige, nach GOTS zertifizierte Stoffe. Statt mehrfach im Jahr komplett neue Kollektionen mit enormem Ressourcenverbrauch aufzulegen und damit einen schnelllebigen, saisonal orientierten Modekonsum zu bedienen, konzentriere ich mich auf eine ausgereifte Basiskollektion mit saisonalen Highlights.

WIE UND WARUM HAST DU DICH GEGEN KONVENTIONELLE UND FÜR NACHHALTIGE MODE ENTSCHIEDEN?

Ich bin da eben reingeschlittert – bin ich ganz ehrlich. Auf konventioneller Ebene bin ich als Designerin nicht klar gekommen. Ich war immer unzufrieden. Ich hatte mich lange orientiert, damals kannte ich die bereits bestehende grüne Szene nicht, Ein guter Freund, selbst Designer, bemerkte meine Unzufriendenheit und hat mich ins Bild gesetzt. Ich habe ihn angeschaut und wusste binnen Sekunden: ,,Das ist mein Weg.“
Dann ging es los. Ich hatte zu dieser Zeit bereits ausschließlich mit natürlichen Materialien gearbeitet. Dass es noch so viel mehr zu entdecken gab, wusste ich nicht. Jetzt weiß ich es.

WOHER BEZIEHST DU DEINE TEXTILIEN FÜR DEINE KOLLEKTIONEN UND IST ES EINFACH, AN TEXTILIEN MIT ZERTIFIZIERUNG BEZIEHUNGSWEISE GEWÜNSCHTEN STANDARDS ZU KOMMEN?

Regional, Österreich und über Stoffhändler hier in Deutschland, die wiederum aus der Türkei und Indien. Das kommt darauf an, was man sucht. GOTS zertifizierte Baumwolle oder Seide in vielen Varianten, ist kein Problem. Gute Stoffe, die veredelt sind, also bestickt, bedruckt oder gewebte Materialien sind etwas schwieriger zu bekommen. Recycelte Fasern sind auch seltener. Aber nur, wenn ich das konventionelle Angebot mit dem zertifizierten Angebot vergleiche. Wenn ich keinen Vergleich hätte, käme mir das Angebot an nachhaltigen Textilien bestimmt größer vor.
Für große Firmen ist das weniger ein Problem, weil sie die hohen Mindestabnahmemengen eigener Aufträge stemmen können. Für mich als kleines Unternehmen ist das weniger einfach. Die Mindestabnahmemengen sind hoch, da sich die Herstellungskosten für Textilien und Zutaten über hohe Mindestabnahmemengen rechnen. Von innovativen neuen Textilien ganz zu schweigen unter (Anm.: einer Stückzahl von) 1000 läuft zu einem guten Preis nichts. Zumindest nicht für mich.

WO UND WIE OFT LÄSST DU DEINE KOLLEKTIONEN PRODUZIEREN?

Wir lassen die COLLECTIONS-Linie bis jetzt noch regional fertigen. Also Sachsen, Thüringen, Hessen, deutschlandweit…
Dazu kommen Anfertigungen, die auch ich in Leipzig selber anfertige,

SOLLTEN DIE KUNDEN PRIMÄR DAS DESIGN ODER DIE NACHHALTIGKEIT IN DEN VORDERGRUND STELLEN?

Beides, Für mich macht beides mein Unternehmen aus. Auf dieser Grundlage arbeite ich und freue mich immer wieder, wenn meine Kunden das auch so wertschätzen.

WELCHE ZIELGRUPPE MÖCHTEST DU ANSPRECHEN UND WEN SIEHST DU IN DEINER KLEIDUNG?

Meine Zielgruppe ist recht groß, von 18-65+. Ich sehe alle Frauen in meiner Kleidung. Die Hauptsache ist für mich, dass meine Kundinnen sich gut fühlen und sicher mit meiner Kollektion ihren Alltag bestreiten. Ich kann und möchte das nicht eingrenzen. Habe ich noch nie gemacht. Genauso offen ist mittlerweile meine Kundschaft. Ich kann meine Kundinnen nicht in eine Schublade stecken. Aber eins kann ich sagen, sie sind alle -also die, die ich bisher kennen lernen durfte- sehr nett, aufgeschlossen, freundlich und dankbar, dass es was anderes auf dem Markt gibt und dass es eine Kollektion gibt, die man angezogen sehen sollte.

WIE SIEHST DU DIE ZUKUNFT DER NACHHALTIGEN MODE?

Nachhaltige Mode sollte der Standard sein. Ich hoffe, dass wir alle, die wir im Green Fashion Segment arbeiten, die Kurve bekommen und einen deutlich innovativen und freien Schritt zeigen. Ich sehe im Moment die Gefahr, dass wir zu sehr damit beschäftigt sind, mit konventionellen Marken in Kongruenz zu treten. Ich fände es toll. wenn wir so überzeugt von dem sind, was wir alle tun, dass wir das nicht brauchen und uns trotzdem großflächig, professionell und im Besonderen individuell zeigen. Das fehlt mir sehr!

Ich sehe der Zukunft von nachhaltiger Mode sehr optimistisch entgegen. Sie wird der Bekleidungsindustrie einen Aufschwung geben und den Kunden wieder einen anderen Blick auf Bekleidung. Nachhaltige Mode, nachhaltige Produkte haben einen tieferen Sinn. Ich würde sagen, überhaupt einen sinnvollen Ansatz.
Viele Kunden sind sehr aufgeschlossen. Das liegt sicherlich auch daran, dass sich hinter jedem nachhaltig hergestellten Produkt eine Geschichte verbirgt. Meiner Erfahrung nach benötigt es genau das. Genau das schätzen viele meiner Kundinnen wert.

Vielen Dank, liebe Maria, für das ausführliche und ehrliche Interview!

SHIRT // MARIA SEIFERT COLLECTIONS VIA FINE BIRDS
DENIM // CHEAP MONDAY
MANTEL // SECONDHAND
SCHUHE // DR. MARTENS  „1461“ (VEGAN)
TASCHE // BETTY BARCLAY (KUNSTLEDER)
OHRSTECKER // H&M
LIPLINER (VEGAN) // „PRETTY MAUVE“ ALVERDE (DM)